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Rhyan löste sich von dem Kuss. “Ey! Was hältst du davon, wenn wir uns allein weiter-amüsier’n?”

Schon hatte sie ihn an der Hand gepackt und zog ihn zum Ausgang. Alle ‘Bums-Ausweise’ der Welt konnten ihr gestohlen bleiben!

Bis zum Ausgang kamen sie aber erstmal nicht. Plötzlich stoppte die Musik. Grelles Licht sprang an. Alle Gäste standen da wie eingefroren und starrten zum Eingang. Da stand ein merkwürdiger Trupp von Leuten, Männer und Frauen, in schwarzen Walle-Gewändern und Sonnenbrillen, die Frauen mit verschiedenen Kopfbedeckungen, Hüten, Schleiern, Mützen oder auch nur merkwürdigen Gebilden. Aus ihnen heraus ragte eine Art Banner, schwarzgrundig mit einem aggressiven weißen Symbol. Gleichzeitig breitete sich ein merkwürdiger muffig-schimmeliger Geruch im Raum aus.

“Ach du Scheiße!” hörte Reafer neben sich einen Mann murmeln. “‘n Sitten-Kommando!” Und seine Begleiterin forderte er auf. “Schnell! Setz dir was auf den Kopf!”

Den Tipp schienen viele Frauen bekommen zu haben. Rund um sich herum sah Reafer verwirrt, wie Frauen verstohlen Kopftücher, Mützen und sonstige Kopfbedeckungen aus den Taschen holten und sie sich schnell aufsetzten. Eine stülpte sich sogar einen Turban auf ihre schönen blonden Haare! Und eine andere griente schief unter einem Zylinder hervor, der ihr um ein paar Nummern zu groß war. — Reafer hatte natürlich nix dergleichen in der Tasche.

Es nützte aber sowieso alles nichts mehr. “Ihr verdorbenes Pack!” kreischte plötzlich einer der Schwarz-Vermummten los. “Saufen! Perverse Musik! Und sogar tanzen! Schämt ihr euch nicht?!” Dazu wedelte das schwarze Banner, und der Muffgeruch wurde stärker.

Einige Gäste versuchten abzuhauen und sich durch den Eingang an der schwarz gekleideten Schar schnell vorbei zu mogeln. Andere schlichen sich zum Hinterausgang. Aber die Schwarzen kannten ihr Geschäft offensichtlich und hatten sich schon längst im Raum verteilt. Die Flüchtigen wurden festgehalten. Reafer staunte, dass die meisten sich überhaupt nicht wehrten!

Dann stürzten zwei Vermummte auf eine junge Frau los, die es nicht mehr geschafft hatte, sich was auf den Kopf zu setzen. Sie hielten sie fest. Eine weitere Schwarze, eine Frau, riss dem armen Mädchen an den Haaren und kreischte dabei irgendwas von “ewiger Verdammnis” und “Sünde” und “Verderben”. Das Mädchen schrie dazu.

In einer anderen Ecke hatten sie eine Frau im Zwangsgriff, die etwas freizügig angezogen war: sie hatte ihre Bluse um ein paar Knöpfe geöffnet. “Da kriegst du jetzt kochendes Wasser rein! Das wird dich lehren, so herumzulaufen! Du Schlampe!”

Ähnliche Szenen im ganzen Kneipenraum. Über den wild wogenden Köpfen sah man gewaltbereite Gegenstände schwingen: Baseballschläger, Schirme, sogar eine Peitsche! Und alles wurde mittlerweile regelrecht eingenebelt von diesem Muffgeruch!

Und dann kam Reafer dran!

“Die hier, die hat sogar lange Haare!” jaulte einer und stürzte zusammen mit einem Kumpan auf Reafer los.

Die war in der ersten Hälfte der ersten Sekunde so verdattert, dass sie sich tatsächlich eine große Tüte über den Kopf stülpen ließ! Es war wohl mal Gips oder sowas drin gewesen. Man musste husten, dass man Sterne sah!

Aber in der zweiten Hälfte der ersten Sekunde kam natürlich ihre Reaktion — und die von Rhyan dazu!

Sie riss sich die Tüte wieder runter – das weiße Pulver staubte die ganze Umgebung ein! ‑ und stülpte sie stattdessen der schwarzvermummten kreischenden Frau über, die ihrerseits ihre Flüche mit Hustern untermalte, während der nächststehende Sittlichkeitsbruder schon einen Faustschlag kassierte, und der daneben einen Tritt.

Zwei weitere “Muffbrüder” kassierten von Rhyan je eine knatternd-schnelle Abfolge von saftigen Backpfeifen, dass ihre Sonnenbrillen in der Gegend herumschepperten und sie kreischend zu Boden gingen!

Aber jetzt stürmten von allen Seiten schwarze sonnenbebrillte Gestalten auf Reafer und Rhyan zu, die sie ihrerseits passend in Empfang nahmen. Den ersten schnappte Rhyan sich am Kragen und wiederholte die Ohrfeigen-Nummer.

Und das ermunterte offenbar jetzt auch die anderen, bisher so eingeschüchterten Gäste, sich endlich zu wehren. Eine Frau riss sich ebenfalls einen Sack wieder vom Kopf, und zwei Männer schnappten sich eine der schwarzgewandeten Damen und stopften sie kopfüber hinein. Ihre Beine, in einem schwarzen Strickanzug, strampelten und hampelten wild herum. Aus dem Sack drang dumpfes Schreien.

Schließlich war der komplette Kneipenraum nur noch ein einziges, wildes Kampfgetümmel! Fäuste und Gegenstände, Schreien, Kreischen… Tische, Stühle, Gläser, Flaschen, alles Mögliche ging zu Bruch! Die Wirtsleute, ein Paar mittleren Alters, saß auf dem Tresen, mit hängenden Schultern und baumelnden Beinen, und beide weinten hemmungslos!

Dann traf ein Stock oder was-immer die einzige Lampe! Gleichzeitig Dunkelheit und herumfliegende Glassplitter! Schmerzensschreie!

Rhyan griff nach Reafer. “Komm! Ich hab mir gemerkt, wo der Ausgang iss!”

“Ja! Ich auch! Bloß weg hier!”

Mit eingehakten Ellenbogen schufteten sie sich durch das lärmende Gebrodel, wurden geschlagen, geschubst, bedrängt, hin und her gezerrt, schlugen, schubsten, drängelten zurück! Die Muffluft verschlug einem den Atem!

Dann, endlich, die Tür! Sie war bereits offen. Stolpern auf die Straße, ins Dämmerlicht der New Yorker Sparbeleuchtung. Neuer Geruch, eigentlich nur anderer Gestank, schlug über ihnen zusammen; aber es kam ihnen vor wie frische Luft…

“Puuuh! Das war j…” Weiter kam Reafer nicht. Sie starrte geschockt auf den Mann, mit dem sie sich ins Feie gekämpft hatte: Es war nicht Rhyan!

Ein Junge, vielleicht Anfang Zwanzig, starrte großäugig zurück.

Gleich daneben dieselbe Szene “in Grün”: Rhyan staunte das Mädchen an, das er als vermeintliche “Exxer” mit ins Freie bugsiert hatte.

Dann aber mussten sie alle vier lachen. Und während aus der Kneipe der Lärm der sieben Höllen dröhnte und immer mehr Gäste es ins Freie schafften, machten Reafer und Rhyan, dieses Mal richtig sortiert, dass sie davon kamen.

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