Wow, war das klasse! Nicht, dass ich zum ersten Mal auf einer Buchmesse gewesen wäre… Aber Leipzig war eine Premiere — in mancherlei Hinsicht….

Falls der geschätzte Leser übrigens an den folgenden Text die Erwartung stellt, einen ausführlichen Bericht über die großen Publikumsverlage, Preisverleihungen und Promi-Auftritte zu bekommen, dann kann er oder sie gleich aufhören zu lesen. Das wird so extensiv in allen Medien abgenudelt, dass ich da „gerade noch gefehlt“ habe!

Mich interessierten mehr die kleinen, fast persönlichen Aspekte.

In eigener Sache

Denn: dieses Mal war ich komplett in eigener Sache unterwegs. Nicht für einen Arbeitgeber oder als „simpler“ interessierter Leser… nee, ich als Autorin habe versucht, und durchaus erfolgreich, die Szene einzuatmen, Kontakte zu machen, zu lernen, Ideen und Impulse zu bekommen.

Die Idee, auf die Buchmesse zu fahren, hatte ich natürlich nicht alleine. 2017 ist laut Statistik der Besucherrekord erneut geknackt worden. Ich war eine von 285.000 (zweihundert-fünfundachtzig-tausend). Und die meisten von denen dürften am Samstag dagewesen sein.

 

Mit allen nur denkbaren Begleiterscheinungen, z.B. das leidige Problem mit den Damen-Toiletten. Wann kommt endlich einmal ein Bauherr/Architekt auf die Idee, mindestens doppelt so viele Damentoiletten wie Herren-Anstalten zu bauen?! An einer dieser Einrichtungen standen geschätzt hundert Frauen vor zehn Toiletten Schlange! Etwas günstiger war das Verhältnis im Freigelände. Dort waren Container-Toiletten aufgestellt. Allerdings hatten die ein anderes Problem: Die einzelnen Zellen waren so eng, dass ich keine Ahnung habe, wie eine etwas fülligere Kollegin da drin klargekommen ist! Mit entsprechend genervtem Gesicht tauchte sie aus dem schmalen Ausgangs-Türspalt auch wieder auf.

 

Taschenkontrolle

Und dann die Taschenkontrollen am Eingang! Zum ersten Mal, wie die Journaille informiert. Schwarzkostümierte, stramme Jungs, durchaus ganz freundlich, nahmen absolut jeden Gegenstand aus den Mappen, Rucksäcken und Behältnissen in Augenschein. Ob Schreibutensilien, Kosmetik, Elektronik oder Nasentropfen. — Ob ein ernsthaft konstruierter und geplanter Angriffs-Gegenstand dabei nicht doch durchgerutscht wäre…?

 

Handys und Schnitzeljagd

Die Infrastruktur der Messe ist auch noch nicht vollständig im Handy-Zeitalter angekommen. Das Netz brach alle Nasen lang zusammen, und Verabredungen per Handy wuchsen sich zu Schnitzeljagden aus! Hier ein kleiner Auszug:

Der erste Tag, Donnerstag, war übrigens der schönste. Da waren, verglichen mit den Folgetagen, nur ein paar wenige Besucher da, und entsprechend viel Zeit hatten die Aussteller für die paar Interessierten.

 

Verlage

Mich haben speziell interessiert kleine bis ganz kleine Verlage. Die waren „massenhaft“ vertreten, sogar eine einzelne Autorin – Kathrin Schröder – hatte ihren eigenen Stand und erzählte aus ihrem Autorendasein. ― Oder ein anderer „Kleinstverlag“: Zwei sympathische Mitglieder gaben bereitwillig Auskunft über ihre Arbeit: dass sie keine Geschäftsräume haben, sondern alles aus dem „Wohnzimmer“ heraus machen.― Insgesamt eine hochverdichtete Kommunikations-Atmosphäre, in der man die Kreativität fast mit Händen greifen konnte!

Aber eine Formel „Großverlag = arrogant / Kleinverlag = nett“ gibt es natürlich auch nicht. Am Stand eines kleineren Verlages war nix mit Kommunikation, geschweige denn auf die Standbesucher zugehen… Die Initiative musste schon der Besucher leisten! Und auf eine Frage war eine einsilbige Antwort schon das „Premium“-Entgegenkommen. Gleich danach wieder komatöse Passivität, und der Blick stramm in die Unendlichkeit gerichtet, anstatt in Richtung des Besuchers, der daraus natürlich die Botschaft ablas: „Lass mich doch in Ruhe!“ — Das Standgeld: eigentlich verschwendet!

Autoren und Lesungen

Bei etlichen hatte ich kurze Touchdowns, zu mehr reichte es einfach nicht, dann wurde man schon weitergespült. Obwohl dieser Aspekt für mich sehr wichtig ist, denn ich habe noch zu lernen! Einen ganz wichtigen Punkt habe ich trotz der Touchdowns wohl geschnallt: Man muss von seinem Text überzeugt sein! Und: Man muss im Dialog, und sei es nur Blickkontakt, mit dem Publikum stehen. — Bei einer Lesung habe ich mich offenbar so sichtbar über den humorigen Text amüsiert, dass, erstens, die Verlagsmitarbeiterin mitlachte (allerdings verhalten, aber vorher sah sie auch aus, als mache sie gerade eine Zitronendiät), und im Gefolge auch der lesende Autor geschmeichelt grinste und sich spürbar entspannte.

Ganz toll hat mir gefallen die Lesung der Kinderbuch-Autorin Suza Kolb („die Haferhorde“). Und nicht nur mir: ihr größtenteils minderjähriges Publikum hing an ihren Lippen.

 

Signierstunden

Samstag Nachmittag war überall Autoren-Signierstunde. Das war beeindruckend bis unglaublich, was die Autogrammsammler da teilweise auf sich nahmen: Schlangen von geschätzt zweihundert Leuten wälzten sich wie „Lawinen“ durch das Gewimmel, das ohnehin herrschte! ― Es gab natürlich auch das andere Extrem: Autoren, die tapfer und mit gezücktem, aber tatenlosem Schreibgerät in die Leere vor dem Stand hinein lächelten. Unsere passiven „Freunde“ von oben waren übrigens auch in der Gruppe. Zufall?

 

Selfpublisher

Gut besucht und umlagert waren Amazon und BoD – Stichwort „Selfpublisher“ – mit ihren diversen Veranstaltungen. Interessant, was der Autor Alexander Schuller („Shalom Berlin“, Amazon) seinem Publikum an Körperbeherrschung zutraute: „Lehnen Sie sich zurück und hören Sie entspannt zu…“). ― Bei den Sitzgelegenheiten, Papphöckerchen, Maße ca. 30 x 30 cm (s. Bild), eine echte Herausforderung. Aber ansonsten hat es ganz offensichtlich gefallen.

Überhaupt, Selfpublisher: Aus dem Halbdunkel des Minderwertigen, Erfolglosen dürften sie nun endgültig herausgetreten sein. Verlagsautor ist nicht mehr die einzige „ehrenhafte“ Möglichkeit, seine Texte an die Öffentlichkeit zu bringen. Und von wegen Professionalität! Da können einige „richtige“ Verlage sich zum Teil ein dickes Stück abschneiden, nicht nur was Textqualität betrifft, sondern ebenso Effizienz, Kostenbeherrschung und, auch das, Marketing.

 

Manga-Comic Con

War organisatorisch Teil der Buchmesse mit eigener Halle (Halle 1). Aber die Cosplayer mit ihren irren Kostümen waren auf der ganzen Messe zu sehen und waren definitiv ihr Augen-Highlight. Ich habe übrigens jeden der hier Abgelichteten, dessen Gesicht man erkennen kann, um Erlaubnis gefragt.

Nicht alle können sich unter dem Namen was vorstellen, deshalb hier ein Wikipedia-Zitat:

Cosplay (japanisch コスプレ, kosupure) ist ein japanischer Verkleidungstrend, der in den 1990er Jahren mit dem Manga– und Animeboom auch in die USA und nach Europa kam. Beim Cosplay stellt der Teilnehmer eine Figur – aus Manga, Anime, Comic, Film oder Computerspiel – durch Kostüm und Verhalten möglichst originalgetreu dar.

Der Begriff Cosplay, das japanische Portmanteauwort (auch Schachtelwort oder Kofferwort genannt, ist ein Kunstwort, das aus mindestens zwei morphologisch überlappenden Wörtern entstanden ist, die zu einem inhaltlich neuen Begriff verschmolzen sind.) aus den englischen Begriffen costume und play (frei übersetzt „Kostümspiel“), wurde von Nobuyuki Takahashi geprägt, dem Gründer des japanischen Verlages Studio Hard. Takahashi verwendete seine Neuschöpfung erstmals im Juni 1983 in einem Artikel für die Zeitschrift „My Anime“

 

 Mit einigen kam man auch ins Gespräch. So erfuhr ich von einer „Prinzessin“, dass sie ihre Kostüme nicht nur selber näht, sondern sogar jeden Tag mit einem anderen Outfit auf der Messe ist.

Und es waren nicht nur „Prinzessinnen“, „Elben“ und „Helden“. Da hatten manche auch richtig Mut zur Komik!

Im Nachklapp kann man übrigens lesen, dass nicht alle so begeistert davon waren, dass beispielsweise bei ernsten Interviews, in denen es um große Probleme ging, im Hintergrund „halbnackte Hasen und düstere Ritter mit Riesenschwertern“ (MDR) durchs Bild liefen.

Ja, was soll man dazu sagen… In Deutschland war es immer schon verdächtig, etwas Humor und Lockerheit an den Tag zu legen, und in Verbindung mit „ernsten“ Themen… also, das geht ja gar nicht!

 

 

 

Verkehrschaos?

Das in den Medien propagierte „Verkehrschaos“ habe ich persönlich nicht so empfunden. Natürlich kann man nicht erwarten, dass die Autos von zweihunderttausend Besuchern alle auf einem kleinen „Gartengrundstück“ Platz haben. Klar waren die regulären Parkplätze schnell voll, vor allem am Samstag. Aber dann wurden die Zusatz-Areale aktiviert: große Wiesen gleich nebenan, entlang der Messeallee. Und da kam nun wirklich auch die letzte „Karre“ noch unter.

Die Wege bis zu den Messehallen waren von dahinten natürlich etwas weiter, aber das wurde tapfer und gutgelaunt abgelatscht, auch von den Trägerinnen schwindelerregender Highheels. Nur mein rechtes Knie war am Ende der Messe böse mit mir!

Und das vermeintliche „Chaos“ wurde effektiv von Polizeiautos in Schach gehalten. An allen neuralgischen Punkten standen sie, und ihre Megafone dröhnten vermutlich bis in die Leipziger Innenstadt rein. „Rächts einordnen! Rächts Rächts Rächts!“ und: „Da blaaue Mazda, für Sie gilt des aach!“

Beim Rausfahren schließlich der Höhepunkt an Disziplin: Viermal gestaffeltes Reißverschluss-Verfahren – hat astrein geklappt!

Falls ich nur Glück gehabt haben sollte: Bittesehr, Gegendarstellung willkommen!

 

…Und dann noch Leipzig

Zum Abschied haben wir uns noch zwei Stunden Innenstadt geleistet, mehr war nicht drin. Leider! Ein kleiner Rundgang durch den Stadtkern mit Augenschmaus-Jugendstilhäusern (In Leipzig waren 1945 noch 60% der Gebäude aus der Gründerzeit erhalten und sind jetzt klasse saniert!): Nikolaistraße bis zur Nikolaikirche – ihr wisst schon: die Montagsdemonstrationen -, Grimmaische Straße, vorbei an Goethedenkmal und Rathaus, durch Klostergasse und Barfußgässchen, bis zum „Museum in der Runden Ecke – Gedenkstätte“. — Man kann auch sagen: Stasi-Museum. Das haben wir uns natürlich auch noch gegeben. Und hat sich absolut gelohnt!

 

 

 

Tschüss, Leipzig — bis zum nächsten Mal!