Also tief einatmen und durch den Holland Tunnel! Es ging hinein in ein nachtschwarzes Loch: Der Tunnel war so gut wie nicht beleuchtet. Reafers Schrottkarre war das einzige Fahrzeug! Der Straßenbelag war nicht nur bröckelig, sondern dazu noch feucht und glitschig. Warum, ließ sich durch einen Blick nach oben unschwer herausfinden: Im Dämmerlicht von Wagenscheinwerfern und Extrem-Sparbeleuchtung des Tunnels sah man Kachelwände mit gigantischen, schwarz klaffenden Rissen und Öffnungen, durch die es unablässig tropfte und rieselte! Reafer wurde es mulmiger und mulmiger!

Dann kam es noch schlimmer! Plötzlich erreichte sie eine Art See! Die Straße stand komplett unter Wasser! Es musste die tiefste Stelle des Tunnels sein! Und es pestete mal wieder wie der unterste schwärzeste Kloakengrund! Wie tief mochte das Wasser sein?! Eins war klar: Wenn die Karre in  d e r  Brühe verreckte… dann hatte sie “ein Problem”, und zwar ein “ziemlich mittleres”!

Den Wagen verlassen und zu Fuß weiter? Reafer blickte sich um. Ein paar Mal hatte sie den Eindruck gehabt, in Seitentüren und ‑gängen des Tunnels huschende Gestalten wahrzunehmen… Es konnten optische Täuschungen sein… Aber wenn nicht…?! Was waren das dann für Wesen, die sich an so einem Ort aufhielten? Die Option “Freund” war irgendwie die weniger wahrscheinliche…

Sie entschied sich schließlich dafür, dass ein Fahrversuch durch das schwarze, stinkende Bilgewasser des Tunnelgrundes das kleinere Risiko war gegenüber der Möglichkeit, irgendwelchen Irren in die Hände zu fallen, die sich  h i e r  herumtrieben! Das konnte ihr, wenn das Auto steckenblieb, zwar immer noch passieren, aber wenn nicht, hatte sie wenigstens eine Chance genutzt.

Also rein in die Pampe! Reafer ließ den Antrieb aufjaulen und sah zwei Dinge gleichzeitig: vorne das hoch aufspritzende schwarze Wasser, und im Rückspiegel zwei plötzlich auftauchende Gestalten, die sich auf den Wagen zu bewegten. Bloß weg hier! Gas! Gas! Gas! Der Wagen fraß sich in die Brühe! Draußen gluckerte, schlürfte und schmatzte es! Die zwei Gestalten liefen am Rand der Fahrbahn hinter dem Wagen her, noch eine ganze Zeit lang. Aber dann fielen sie endlich zurück und waren schließlich verschwunden. Der Wagen schwamm mehr in dem Jauchewasser als dass seine Reifen Bodenkontakt hatten. Plötzlich schwoll der Gestank an, dass es einem den Atem zuklappte, und das Schlürfen und Schmatzen klang irgendwie anders… Wasser fing an in den Wagen einzudringen! Reafer fluchte lauthals auf Saxxan.”Wræcc!!”

Dann, als sie im Hinterkopf schon Pläne schmiedete, wie sie sich in der unausweichlichen Havarie verhalten sollte, da merkte sie, wie die Räder des Wagens wieder griffen. Also hatte sie das tiefste Stück des Tunnels durchquert! Und der Motor lief immer noch! Vielleicht sogar ein Verdienst der Isolierung, die den Benziner eigentlich vor Entdeckung schützen sollte! Reafer atmete auf. Dabei musste sie würgen, so speiübel war ihr!

Dadurch, dass sie ihre ganze Aufmerksamkeit jetzt nicht mehr dem Wagen zuwenden musste, fielen ihr wieder Dinge in der Umgebung auf. Das Dämmerlicht, der Geruch, die Beschädigungen: in der Tunnelwand neben den Rissen und Löchern auch verbogene Stahlverstrebungen und hervorgequollenes Material… Und dann das Geräusch! Ein dröhnend-lautes, hohl-hallendes unendlich gequältes Ächzen! — Reafer versuchte auszurechnen, wie viele Millionen Tonnen Wassergewicht sich über ihr befanden…

So kam sie schweißgebadet, zitternd, mit Brechreiz, schließlich aus dem Tunnel wieder heraus und war in Jersey City! Sie hielt zwar nicht an, starrte aber angestrengt in den Rückspiegel in Erwartung des Tunnel-Zusammenbruchs hinter ihr. — Zu ihrer Überraschung passierte aber nichts dergleichen!