Dann ging’s los. Zuerst mussten sie sich eine passende Bank suchen. Ans Steuer setzte sich Reafer und kurvte suchend durch die Straßen von Franklin.

“Ey, Cracks! Meinste nich, dass das ‘n bisschen auffällig iss?!” zweifelte Rhyan. “Wie wir hier durch die Gegend eiern?!”

Reafer zuckte die Achseln. “Ja… schon! Aber ganz ohne Risiko geht’s nunmal nicht!”

Sie hatten Glück und fanden ‘ihre’ Bank. Reafer war ganz begeistert: In einer ruhigen Parkgegend gegen Ortsausgang, direkt neben einer Schule — die um diese Zeit natürlich verlassen war! Weit und breit keine bewohnten Häuser in der Nähe. “Das ist ‘ne saugute Chance!” freute sich Reafer. — Solange ihnen keine lebenden Personen in die Quere kamen… Mit der Technik und den Umständen konnte sie umgehen.

Sie parkte den Wagen am Bürgersteig, gute hundert Meter von der Bank entfernt.

“So! Jetzt kommen wir zur Sache!” verkündete sie. “Ihr beide”, sie wandte sich an Rhyan und Deane, “ihr müsst euch jetzt dünne machen, mit dem Wagen. Es muss richtig sichtbar sein, dass unser Wagen die Stadt verlässt! Und außerhalb der Stadt, da wartet ihr dann auf Sirrah und mich. Ich würde sagen…”, sie blickte abschätzend die Straße runter, “so zehn Kilometer entfernt. Das müsste reichen! — Und da, auf der rechten Seite, da sucht ihr euch was zum Verstecken, ‘n Gebäude, oder was immer sonst gerade da ist. Aber achtet darauf: Man muss rauskönnen wie ‘ne Kanonenkugel!”

Erheiterung. “Puff!” machte Rhyan glucksend.

“Sirrah und ich”, fuhr Reafer fort, “wir suchen uns dann hinterher irgend ‘nen fahrbaren Untersatz, mit dem wir zu euch stoßen…”

“Also, deine ewige Auto-Klemmerei…! Das ist ja schon ‘ne Sucht!”

“Iss auch verboten! Hmpfh! Iss alles verboten!”

“…Wenn wir kommen, machen wir Blinkzeichen mit den Scheinwerfern. Dann wisst ihr, dass wir es sind. Und dann müsst ihr s o f o r t parat sein!”

Reafer und Sirrah wollten gerade aussteigen. Da sah Deane den Polizisten die Straße runterkommen. Genau auf sie zu!

“Rücksitz-Taucher! Schnell!” flüsterte Reafer. Deane und Rhyan verschwanden hinter den Vordersitzen, wie gehabt. “Die Nummer wird immer perfekter! Training iss alles!” brummte Rhyan fatalistisch aus der engen, dunklen Tiefe.

“Ja, aber du könntest vielleicht mal deinen Hacken aus meinem Ohr nehmen!” schränkte Deane verdrossen ein.

Sirrah überriss die Situation. “Cracks… Wenn er, äh, Papiere verlangt… Hast du welche?”

Reafer schüttelte den Kopf. “Zum Papiere-Verlangen dürfen wir ihn gar nicht kommen lassen! — Und deswegen…”, plötzlich rückte sie dem überraschten Sirrah auf die Pelle, “bringen wir jetzt die ‘Liebespaar’-Nummer! Vielleicht achtet er dann gar nicht auf uns…” Sirrah konnte gerade noch “Oh?!” sagen, dann ‘engagierte’ sie ihn in einen Clinch, dass ihm Hören und Sehen verging!

“Nu zier dich man nicht so, Sirrah!” bemerkte Rhyan von schräg-hinten-unten.

Leider war der Polizist taktlos genug, um sich auch für nächtliche Liebespaare zu interessieren. Argwöhnisch äugte er in den Wagen. Er hätte ein Bruder von Sheriff Baker in Bishopsburg sein können. Und durch das geöffnete Wagenfenster bellte er: “Was machen Sie da?!”

Reafer und Sirrah fuhren auseinander, so dramatisch, als hätten sie das auf der Bühne geprobt. — Reafer machte in ‘schamhaft’. “Huch!” quiekte sie, verknotete ihre Beine und hielt sich den obersten T-Shirt-Knopf zu, mit einer hysterischen Entschlossenheit, als befürchte sie, der Polizist könnte ihr heiße Kohlen ins Hemd schmeißen!

Jetzt war Sirrah dran. Er musste verhindern, dass der Polizist Reafers Ausweis verlangte. — Er machte den ‘Entrüsteten’: “Unverschämtheit!” legte er los und beschwerte sich, laut lamentierend, darüber, dass die Polizei, anstatt Verbrecher zu jagen, harmlosen Leuten in der Intimsphäre herumschnüffelte! — Rhyan und Deane, hinten, mussten sich auf die Lippen beißen und sich gegenseitig kneifen, damit sie nicht laut loswieherten!

Sirrah, um den Polizisten von ‘Cracks’ abzulenken, kletterte und wand sich umständlich aus dem Wagen und baute sich vor dem Polizisten auf. Er überragte den Mann um mindestens drei Kopflängen. — Aus dem Wagen heraus beobachtete Reafer gespannt, wie Sirrah irgendeinen Ausweis zückte ‑ vermutlich derselbe, mit dem er sich vergangenen Sonntag vor Sheriff Baker legitimiert hatte ‑ und dem Gesetzeshüter eine juristisch verbrämte Gardinenpredigt verpasste. Mit nervender Penetranz kehrte er seinen “Rechtsgelehrten” heraus, drohte mit Dienstaufsichtsbeschwerden, verlangte Namen und Dienstausweis des Polizisten und dozierte über das Recht des Bürgers auf ungestörte Intimsphäre… Reafer musste sich das Lachen verbeißen. — Ein Rechtsanwalt, der sich gerade auf einen Bankbruch vorbereitete!

Der Polizist machte den Fehler, auf Sirrahs Vorwürfe einzugehen und war plötzlich in eine komplizierte, verkniffelte und weitschweifige Auseinandersetzung verwickelt. Sirrah hatte das wirklich drauf: Er zitierte Paragraphen und Absätze, Zusätze, Ausnahmen und Präzedenzfälle. Dem Polizisten pfiffen Vergehen um die Ohren, von “Nötigung” und “Belästigung”, über “Freiheitsberaubung” bis hin zu “Justizirrtum”! — Es war haarsträubend, Sirrahs diffizilen Ausführungen zu folgen, und schließlich schaffte er es: Der Polizist entfernte sich, mit den Nerven am Ende!

Im Wagen Aufatmen. “Wenn Sirrah kompliziert wird, bleibt kein Auge trocken!” beölte sich Deane, und Rhyan ergänzte: “Jau! Der Bulle muss jetzt erstmal zum Nervendoktor und sich seine verknoteten Hirn-Spaghetti wieder aufdröseln lassen!”

Sirrah ragte auf dem Bürgersteig herum und blickte dem Ordnungshüter nach, mit einem Ausdruck grimmiger Befriedigung. — Er war eindeutig Sieger geblieben. Und von “Cracks”‘ Ausweis war nicht ein einziges Mal die Rede gewesen!

Kurz darauf hatten sie den Wagen um die nächste Ecke geparkt, um sich dieses Mal endgültig für ihr Vorhaben zu trennen. Sie glucksten und amüsierten sich immer noch über das Zwischenspiel mit dem Polizisten.

“Mein lieber Mann!” beschwerte Reafer sich bei Sirrah. “Der ist bloß auf uns zugekommen, weil du bei der ‘Liebespaar’-Nummer so lahmarschig warst! — Hätt’st wirklich ruhig ‘n bisschen leidenschaftlicher sein können!”

“Für, äh, ‘Leidenschaft’ bin ich nicht zuständig! Das ist eher die, äh, ‘Abteilung McLaren’. — Was mich betrifft, so komme ich in derlei Situationen etwas schwer in, äh, Stimmung!”

Und Rhyan klärte Reafer glucksend auf: “Für die Nummer war Sirrah der Verkehrte! — Er iss nämlich ‘n Sexualklotz! Das dauert was, bis du den in Gang kriegst!”

“Obwohl…”, setzte Sirrah mit schmitzigem Gesicht hinzu, “im Prinzip hat es mir nicht schlecht, äh, gefallen…”

“Jetzt hört euch den an!!” Deane prustete los.

Dann machten Rhyan und Deane sich auf den Weg. Reafer und Sirrah blieben zurück. Die Action rollte an.—